Corona: Erfolgreiche Behandlung bei ursprünglicher Omikronvariante wenig bekannt | MDR.DE

2022-11-07 16:01:12 By : Ms. Violet Li

Zur optimalen Darstellung unserer Webseite benötigen Sie Javascript . Bitte aktivieren sie dies in Ihrem Browser.

von Anett Wundrak, MDR exakt

Egal ob geimpft oder nicht: Risiko-Patienten kann nach einer Corona-Infektion ein schwerer Krankheitsverlauf treffen. Eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern kann das verhindern, wenn die Behandlung in den ersten Tagen nach der Ansteckung erfolgt. Doch bislang wurde die offenbar nur selten angewendet – woran liegt das?

Er streift die weiße Kapuze über den Kopf, darüber kommt noch eine graue Gummi-Haube mit geschlossener Maske. Als der Schutzanzug sitzt, geht Hausarzt Markus Böbel mit seinem Team zum Patienten. Sie trainieren, wie Corona-Infizierte in der Praxis behandelt werden können. Dabei spielt bei Markus Böbel auch eine Therapie eine Rolle, die schwere Verläufe verhindern kann, aber bislang nur selten eingesetzt wird.

Die Hände des Hausarztes stecken in blauen Gummihandschuhen. Der Schutz vor einer Ansteckung mit Covid-19 hat nach wie vor Priorität. Markus Böbel aus Reutlingen ist einer von wenigen Hausärzten – nicht nur in Baden-Württemberg sondern deutschlandweit – der Corona-Risiko-Patienten mit monoklonalen Antikörpern behandelt. Diese können verhindern, dass Corona-Viren nach einer Infektion in die Zellen eindringen können.

"Also, aus der Erfahrung heraus, geht es den meisten Patienten nach zwei Tagen deutlich besser und Ihr Risiko für einen schweren Verlauf – bedingt durch Ihre Grunderkrankung – wird hierdurch um etwa 80 Prozent reduziert", erklärt Markus Böbel. Diese Therapie ist seit fünf Monaten auch für den ambulanten Bereich zugelassen und seitdem sei kein Patient des Facharztes für Allgemeinmedizin mehr wegen Corona ins Krankenhaus gekommen. Allerdings gilt dies vor allem für die Ursprungsvariante von Omikron. Die Wirkung bei der neuen VarianteSubtyp BA.2 soll laut US-amerikanischen Forschern gemindert sein.

Der Hausarzt aus Reutlingen war durch Kollegen aus Sachsen-Anhalt auf diese Behandlungsmethode aufmerksam geworden. Das Städtische Klinikum Dessau gehört neben den Uni-Kliniken in Hamburg und Berlin zu den Vorreitern bei der Anwendung monoklonaler Antikörper. "Es gibt eben eine Gruppe von Patienten, die auch unter Omikron schwere Verläufe bekommen kann", sagt Professor Gerhard Behre, Chefarzt des Klinikums in Dessau-Roßlau. Dabei handele es sich um Menschen mit Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes Mellitus, Herz-, Nieren- oder Lungenerkrankungen sowie onkologische oder Autoimmun-Erkrankungen. "Diese Patienten können gar keinen Antikörperschutz bekommen, auch häufig nicht nach Impfungen."

Das Bundesgesundheitsministerium beschafft bereits seit Anfang 2021 für geimpfte und ungeimpfte Risikopatienten Antikörper-Medikamente. Für die ursprüngliche Virusvariante Omikron hat sich Sotrovimab als Antikörper bewährt. Die Wirkung weiterer Medikamente für andere Subtypen, wie die aktuelle Omikron BA.2, wird erforscht. Im Städtischen Klinikum Dessau können die Patienten sie sowohl ambulant als auch stationär erhalten. Für das Klinikum Dessau brachte die Antikörpertherapie gerade in Corona-Hochzeiten eine enorme Entlastung.   

"Also wir haben jetzt 770 Patienten mit monoklonalen Antikörpern bei SarsCov2 behandelt. Von diesen Patienten sind unter einem Prozent auf die Intensivstation gekommen", sagt Chefarzt Gerhard Behre. "Also ein ganz, ganz geringer Teil." Bei den Hochrisiko-Patienten habe man einen schweren Verlauf von Covid-19 und so auch Sterbefälle verhindern können. "Insofern hat das für uns am Klinikum Dessau wirklich den Durchbruch gebracht!"

Die Voraussetzung für diesen Erfolg ist allerdings, dass die Behandlung in den ersten Tagen nach Auftreten der Symptome erfolgt. Dafür ist wiederum entscheidend, dass niedergelassene Kollegen –  zum Beispiel Hausärzte – die in Frage kommenden Patienten frühzeitig erkennen, und wenn sie sie nicht behandeln können, in entsprechende Kliniken schicken. Doch das passiere leider immer noch zu selten. "Es war vielleicht auch nicht von vorneherein klar, dass die monoklonale Antikörpertherapie doch so einen Erfolg hat", sagt Professor Gerhard Behre.

Anfang vergangenen Jahres, noch vor der europäischen Zulassung, kaufte das Bundesgesundheitsministerium bereits 190.000 Dosen Antikörper für 400 Millionen Euro. Laut der Anfrage von MDR exakt hat ein Großteil dieser Beschaffung das Verfallsdatum Ende November 2021 erreicht und konnte nicht mehr verwendet werden. Das Ministerium erklärt dazu: Es "[…] wurden 68.000 Durchstechflaschen an zahlreiche andere Länder gespendet. Insgesamt 8.000 Durchstechflaschen wurden bis Ende November von den Apotheken auf ärztliche Verschreibung abgegeben."

8.000 von fast 200.000 – zum Teil lag das an der Logistik, denn lange konnten Antikörper nur in wenigen Apotheken abgeholt werden. Doch auch die Kommunikation zu den niedergelassenen Ärzten hat offenbar nicht wirklich funktioniert. Speziell vom Bundesministerium für Gesundheit hätte sich Hausarzt Markus Böbel eine bessere öffentliche Aufklärung gewünscht: "Aus dem Kopf heraus: Wir hatten bis November etwa 95.000 Tote in Deutschland, die an Covid-19 verstorben sind."

Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wie viele man noch hätte erreichen können, wenn man diese monoklonalen Antikörper genutzt hätte.

Die Impfkampagne hatte Vorrang. Das sei auch völlig richtig gewesen, so Markus Böbel. Doch "für die Risikogruppen hätte man durchaus noch eine bessere Informationsgestaltung machen können." In Berlin informieren Plakate der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) darüber, für wen diese Therapie in Frage kommt. Wer fit ist im Umgang mit dem Handy, scannt den QR-Code und kann dann die Liste mit behandelnden Ärzten sehen. Andere KV sehen keine Veranlassung für eine öffentliche Aufklärung von Patienten und verweisen auf das zuständige Ministerium.

"Ich würde das Pferd mal andersherum aufzäumen, was wir für die Ärzte gemacht haben, damit die informiert werden", erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin der KV Sachsen, Sylvia Krug. Man habe appelliert und informiert. Doch man könne den Ärzten nicht auferlegen, diese Therapie durchzuführen. "Das liegt in der Therapiefreiheit des Arztes."

Doch die KV Sachsen hat sich mit dafür eingesetzt, dass niedergelassene Ärzte jetzt die Antikörper direkt über ihre Apotheken vor Ort beziehen können und damit ein Hindernis ausgeräumt. 20 Praxen bieten im Freistaat mittlerweile eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern an – eine davon ist in Borna, wo Patienten nicht nur getestet und geimpft, sondern infizierte Personen auch behandelt werden.

Deutschland kauft zwei Antikörper-Medikamente gegen Corona, die in den USA bereits im Einsatz sind. Schwer Erkrankten werden sie wohl nicht helfen – aber manchen Risikopatienten vor dem Schlimmsten bewahren.

"Es bedeutet, ein Covid-positiven Patienten in die Praxis zu holen und dort mehrere Stunden zu betreuen", erklärt Hausärztin Katrin Kräcker. Diese kommen über einen separaten Eingang und eine Schleuse in die Praxis. Das ist nicht überall möglich. Es sei aber auch eine Frage, ob die Infusion plus Nachbeobachtungszeit im normalen Alltag leistbar seien. "Wenn sie eine Praxis mit einem Arzt und zwei Angestellte sind, und fallen dann aus in der ländlichen Region, das bedeutet natürlich auch ein Versorgungsdefizit für andere Bereiche."

Doch die Allgemeinmedizinerin sagt auch, dass es wichtig sei, dass möglicherweise infizierte Corona-Patienten zu ihr in die Praxis kommen. Nur so kann sie entscheiden, ob die eher mild verlaufende Infektion mit Omikron für den konkreten Patienten doch gefährlich werden könnte. "Es muss eine ordentliche Untersuchung geben. Und die kann ich nicht machen, wenn ich einfach nur einen Abstrich mache", erklärt Katrin Kräcker.

Bislang hat Katrin Kräcker zwei Patienten nach Rücksprache mit Fachkollegen zur Antikörpertherapie an das Universitätsklinikum Leipzig geschickt. "Wenn das frühzeitig durchgeführt werden kann, finde ich, dann ist es am Ende egal wo, Hauptsache wir haben es gemacht!" Es geht um ein funktionierendes Netzwerk, damit die Hilfe alle Patienten rechtzeitig erreicht.

Die relevanten Statistiken zum Coronavirus – Infektionszahlen, Inzidenzen, Daten zur Belegung der Intensivstationen sowie die Hospitalisierungsrate – finden Sie hier gebündelt.

Der Handel mit falschen Nachweisen zur Corona Impfung nimmt zu. Doch wer steckt hinter solchen Geschäften? Zwei Reporter von MDR exactly haben sich mit einem jungen Mann getroffen, der gefälschte Impfpässe verkauft.

Gesundheitsminister Lauterbach erwartet einen Impfstoff gegen die Omikron-Variante im September. Gleichzeitig warnte er vor einer "Killervariante" im Herbst. Krankenhäuser befürchten Insolvenzen in Folge der Pandemie.

Die Corona-Pandemie geht in das dritte Jahr. Neue Virusvarianten und zu geringe Impfquoten lassen kein Ende der Krise absehen. Noch immer infizieren sich weltweit Millionen mit dem Virus. Die Chronologie des Jahres 2022.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 24. April 2022 | 06:00 Uhr

Was ist gerade los in der Welt und warum muss ich das wissen? Rike, Lea, Niko, Sarah und Philip präsentieren recap – den freitäglichen Rückblick auf eure Nachrichtenwoche.

Unions-Fraktionschef Merz bietet der Ampel-Koalition eine schnelle Erhöhung der Grundsicherung an. Für die geplante Umstellung auf das Bürgergeld pocht Merz jedoch auf schärfere Karenzzeiten und niedrigere Schonvermögen.

Auf Anschläge auf Geflüchteten-Unterkünfte und rechte Hetze reagieren Politiker mit Bestürzung und Schockstarre. Das ist viel zu wenig. Warum wurde offenbar nichts aus den aggressiven Jahren 2015 und 2016 gelernt?

Zum ersten Mal in der Corona-Zeit ist die Synode der evangelischen Kirche wieder in Präsenz zusammengekommen, und zwar in Magdeburg. Ein Hauptthema ist auch hier der Krieg in der Ukraine.

MDR aktuell 19:30 Uhr So 06.11.2022 19:30Uhr 01:17 min

Durch eine angespannte Personalsituation im Gesundheitswesen fallen viele Vor- und Nachsorgetermine aus. Das ist nur einer der Gründe für eine deutlich gestiegene Sterberate im Oktober.

Die Wohngeld-Reform verspricht ab 2023 mehr Geld für mehr Menschen. Kritiker befürchten allerdings, dass dieses Geld in mehreren mitteldeutschen Gemeinden nicht ankommen wird.

2022 ist das teuerste Tankjahr aller Zeiten. Schon zwei Monate vor Jahresende wäre daran selbst dann nichts mehr zu ändern, wenn Benzin und Diesel ab Sonntag verschenkt würden.

Die EU will bis 2050 klimaneutral werden, die Landeshauptstadt Dresden möchte unter den ersten sein, die dieses Ziel erreichen. Doch ist das zu schaffen?

Die Renten in Deutschland werden mit voraussichtlichen Zuwächsen von bis zu 4,2 Prozent auch 2023 steigen. Mit einer erwarteten Inflationsrate von 7,0 Prozent droht den Rentnern jedoch ein erneuter Kaufkraftverlust.

Drei Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte gab es innerhalb von zwei Monaten allein in Sachsen. In Mecklenburg-Vorpommern brannte eine Herberge für Ukrainer komplett nieder. Ist das eine neue Welle des Rechtsextremismus?

Gestiegene Energiepreise und Lebenshaltungskosten: Sorgt das für eine Flaute in den Wintersportgebieten in Mitteldeutschland? MDR AKTUELL hat in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nachgefragt.

Das Bürgergeld bleibt Zankapfel zwischen Regierung und Opposition. Weil die Union mit ihrem Veto im Bundesrat gedroht hatte, hat die Koalition Nachbesserungen vorgelegt – aber auch die reichen CDU/CSU wohl nicht aus.

MDR aktuell 19:30 Uhr Sa 05.11.2022 19:30Uhr 02:06 min

Nach Angaben der Tafeln kommen mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen zu den Ausgabestellen und wollen Lebensmittel abholen. Das seien 50 Prozent mehr als noch zu Jahresbeginn. Viele Tafeln seien überlastet.

MDR aktuell 19:30 Uhr Sa 05.11.2022 19:30Uhr 01:41 min