Pandemie - Das Abschiednehmen ist in Zeiten von Corona schwerer geworden – ein Einblick in den Alltag der Freiämter Bestattungsinstitute

2022-11-07 16:15:17 By : Ms. haimi Zhang

Die Freiämter Bestattungsinstitute sehen sich mit immer mehr Covid-Toten konfrontiert. Die AZ erhält einen Einblick in ihren Alltag.

«Als der erste Lockdown kam, waren wir schockiert», sagt Karin Koch Sager, Geschäftsführerin des familieneigenen Bestattungsinstituts Koch in Wohlen. «Wir dachten, jetzt bricht alles zusammen.» Doch dann war der Frühling sehr ruhig, es sind weniger Leute gestorben als in einem gewöhnlichen Jahr. Bis in den Herbst hinein blieb dem so.

Seit einigen Wochen aber nimmt die Zahl der Toten, die an oder mit Corona verstorben sind, drastisch zu. Das macht sich auch im Bestattungsinstitut der Familie Koch bemerkbar: «Eine grössere Anzahl der Todesfälle, die wir aktuell betreuen, waren Corona-positiv», sagt Karin Koch Sager. Dass gegen den Winter hin tendenziell mehr – insbesondere betagte und kranke – Menschen sterben, sei jedes Jahr so. Doch der rasante Anstieg diesen Winter überrascht selbst die Bestatterin.

Der Umgang mit Corona-Verstorbenen bedeutet für das Team von Koch einen Mehraufwand. Einerseits müssen die Bestatter strikte Hygienemassnahmen einhalten. Bei der Einbettung tragen sie Handschuhe, Maske, Schutzbrille und einen Körperschutzanzug. Andererseits wird der Leichnam in eine Schutzhülle aus Kunststoff gelegt, um eine allfällige Ansteckung zu vermeiden. Nach jedem Transport wird das gesamte Fahrzeug desinfiziert.

Auch Hugo Stöckli vom Bestattungsinstitut Stöckli in Boswil verzeichnet einen markanten Anstieg an Coronaopfern unter seinen Klienten. «Rund 15 bis 20 Prozent der Verstorbenen werden uns derzeit mit dem Vermerk ‹Coronaverdacht› übergeben», sagt er. Sorgen macht sich Stöckli um sich oder seine Angestellten dabei jedoch keine. «Man geht davon aus, dass der verstorbene weniger ansteckend ist als der lebende Mensch.» Zudem komme der Bestatter in der Regel nicht direkt nach dem Tod des Menschen, sondern einige Stunden später, wodurch sich das Ansteckungsrisiko nochmals verringere. Eine Aufbahrung erfolge in der Regel erst Tage nach dem Tod, wodurch auch da wenig Gefahr von den Verstorbenen ausginge.

Die Hygienemassnahmen in der aktuellen Coronapandemie sind für Stöckli nicht neu. «Der Umgang mit den Verstorbenen heute ist genau gleich wie während des grassierenden Norovirus vor einigen Jahren», sagt er. Ein Blick in seine Unterlagen zeigt auch, dass sein Bestattungsinstitut damals ähnlich viele Tote zu bestatten hatte.

«Was sich hingegen verändert hat, ist das Abschiednehmen», sagt Stöckli. In der Trauerbewältigung der Hinterbliebenen sieht er denn auch die grosse Herausforderung. «In den Gesprächen mit den Angehörigen spüre ich oft grosse Enttäuschung, dass die Beerdigung nicht in gewohntem Rahmen stattfinden kann.» Viele seien auch skeptisch und würden von sich aus auf eine Feier verzichten oder diese nur im engsten Kreis feiern.» Diese Entwicklung hin zu kleinen Beerdigungen im Familienkreis habe sich schon länger abgezeichnet. «Die Pandemie hat diesen Prozess deutlich beschleunigt.»

Karin Koch Sager stellt in ihren Trauergesprächen ebenfalls fest, dass das Abschiednehmen in diesen Zeiten wichtiger denn je ist. «Viele Hinterbliebene machen sich Vorwürfe, dass sie ihre Liebsten in den letzten Tagen nicht mehr besuchen konnten oder dass diese gar alleine sterben mussten.» Umso wichtiger sei es, dass Angehörige vom aufgebahrten Leichnam Abschied nehmen können. Auch die Abdankungsfeier spiele eine grosse Rolle. «Die Leute sind dankbar, dass sie so wenigstens Abschied nehmen können.»

Die Beerdigungen im engsten Familienkreis im Frühling oder auch jetzt mit einer Maximalzahl von 50 Trauergästen sei für viele Familien nicht einfach. Es gäbe aber auch Trauergemeinden, die diesen intimen Rahmen schätzen. Karin Koch Sager ist sich sicher: Trotz Corona ist es möglich, einen würdevollen Abschied zu feiern.»