Klimawandel und Hitzewelle: Gebt den Freiluft-Arbeitern eine Siesta!

2022-11-07 16:00:34 By : Mr. Jeron Zhong

Die zunehmende Hitze erfordert ein Umdenken – auch beim Arbeitsschutz. Berlin sollte mit gutem Beispiel vorangehen und mehr für Beschäftigte tun. Ein Kommentar.

Dieser Text entsteht in einem Büro mit Jalousien vor den Fenstern, die Temperatur am Schreibtisch liegt bei knapp über 20 Grad. Davon können die Straßenbauarbeiter, die man morgens auf dem Weg in die Redaktion beim Verlegen neuer Gehwegplatten beobachtet hat, nur träumen.

Oder die Musiker:innen der Staatskapelle, die kürzlich bei bis zu 30 Grad im Schatten tapfer unter freiem Himmel auf dem Bebelplatz musizierten. Oder die Polizist:innen, die auch an diesem Wochenende wieder rund 40 Demonstrationen und Kundgebungen in Berlin absichern müssen, davon etliche um die besonders heiße Mittagszeit herum, obwohl sie genauso gut morgens oder abends veranstaltet werden könnten.

Wer unter freiem Himmel arbeitet, war schon immer den Elementen mehr ausgesetzt als Beschäftigte in geschlossenen Räumen. Was neu ist, ist die Schwere der Belastung: Mit der durch den Klimawandel dauerhaft steigenden Hitze steigen auch die körperlichen Gefahren - von Hitzeschäden bis zu den Folgen von UV- Strahlen und Ozonbelastung. Wer sich die Wetterkarten der vergangenen Jahrzehnte anschaut, erkennt deutlich, dass die Zahl der Hitzetage stetig zunimmt.

Unter den Tausenden Menschen, die laut Statistik jedes Jahr allein in Deutschland an den Folgen von Hitzewellen sterben, sind auch zahlreiche Freiluft-Arbeiter. Besonders betroffen waren in den vergangenen Jahren jene Erntehelfer:innen, denen wir hier in Berlin unter anderem unsere frischen Erdbeeren und den Spargel zu verdanken haben. Die müssen bei jedem Wetter raus auf den Acker.

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Und das, obwohl die Arbeitsschutzverordnung vorschreibt, dass Arbeitsplätze nicht wärmer als 26 Grad sein dürfen und Arbeitgeber ab 30 Grad zum Handeln verpflichtet sind. Doch die Erfahrung zeigt: Viele Chefs ignorieren ihre Fürsorgepflicht, viele Beschäftigte nehmen ihr Schicksal schweigend hin.

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Deswegen ist hier der Staat gefragt, der ja der Wirtschaft auch in anderen Bereichen Vorgaben macht, wie menschenwürdige Arbeit auszusehen hat: Von Mindestlöhnen, wo Berlin der Vorreiter bei öffentlichen Aufträgen war, über Arbeitsschutzkleidung bis hin zur Coronaprävention. Wie es gehen könnte, machen seit Jahrzehnten südeuropäische Länder wie Spanien vor: Mittagszeit ist dort Siesta-Zeit.

Wenn die Temperaturen an Sommertagen am höchsten sind, wird drei Stunden lang nicht gearbeitet. In Spanien ist das allerdings nicht unumstritten: Viele Beschäftigte, vor allem wenn sie in geschützten Innenräumen arbeiten, lehnen die Zwangspause inzwischen ab, auch weil sie den Nachteil hat, dass man abends länger arbeiten muss.

Aber das muss ja auch kein Modell für alle Branchen und jeden einzelnen Beschäftigten sein, sondern ein Schutz derjenigen, die an heißen Tagen draußen ihren Kopf für uns alle hinhalten.

Da wäre es ein erster Schritt, wenn Berlin einen Modellversuch startet und eine Siesta zumindest für die heißesten Wochen des Jahres in einigen besonders betroffenen Branchen startet. Wo es nicht möglich ist, Beschäftigten die Schutzpause zu gewähren, bekommen sie eben künftig Hitze-Zulagen, analog zum Bonus an Feiertagen - das wäre zumindest ein erster Schritt, ihre Belastungen anzuerkennen und ihnen dafür zu danken.

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