Berliner Krankenhäuser in der Coronakrise: Klinikbeschäftigte fordern Schutzkleidung

2022-11-07 16:01:20 By : Ms. vivian liu

Beschäftigte von Charité und Vivantes haben in einem offenen Brief dringend Unterstützung gefordert. Es geht um fehlende Schutzutensilien und unfaire Bezahlung. 

Berliner Pflegekräfte wollen Bundesregierung, Senat und Klinikkonzerne unter Druck setzen. Es geht den Pflegenden um fehlende Schutzutensilien – und die tarifpolitische Zersplitterung. 

In den meisten Kliniken der Stadt sind Masken, Handschuhe, Brillen und Kittel sowie Desinfektionsmittel seit Wochen knapp. Zudem fehlt auf Intensivstationen und in Laboren oft Personal.

Nun haben Beschäftigte der landeseigenen Krankenhausketten Vivantes und Charité in einem offenen Brief den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (beide SPD) um ausreichend Schutzkleidung und die "unbürokratische Einstellung von Personal" gebeten.

Wie berichtet, kamen zu Wochenstart deutlich weniger Schutzmasken an, als erwartet. "Es ist bereits absehbar, dass die vorhandenen Bestände nicht ausreichen werden", sagte Silvia Habekost aus dem Vivantes-Klinikum Friedrichshain. Bayern und Baden-Württemberg machten es vor, dort würden Fabriken bereits auf die Produktion von medizinischen Bedarf umgestellt werden. 

Dana Lützkendorf, Intensivpflegekraft und Personalrätin an der Charité, fordert nun "eine zeitnahe Beratung per Videokonferenz von Beschäftigten, der Gesundheitssenatorin und weiteren politischen Entscheidern", um das weitere Vorgehen zu diskutieren.

Der Vivantes-Vorstand teilte mit, man erwarte noch in dieser Woche eine "umfangreiche Lieferung", eine Sprecherin der Universitätsklinik Charité hatte gesagt: "Die Charité verfügt derzeit über ausreichend Sterilgut, aber die Situation ist durchaus angespannt. Wir appellieren daher dringend an einen achtsamen Umgang mit Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln."

Beim Tagesspiegel haben sich in den vergangenen Tagen zahlreiche Pflegekräfte, Ärzte und Laboranten gemeldet. Den Berichten, Vorwürfen und Forderungen lässt sich nur schwer nachgehen – schon weil in den Kliniken des Infektionsschutzes wegen Besuchsverbote herrschen. Im Kern geht es dabei aber fast gleichlautend um: fehlendes Material und die Lage des Personals in den Tochterfirmen.

Zusammengefasst heißt es aus privaten, kirchlichen und staatlichen Kliniken, dass Masken, die bislang Einweg-Artikel waren, nun zum Wiederverwenden ausgewaschen werden. Eingriffe, bei denen Kittel, Handschuhe und Masken üblich waren, werden nun nicht immer in voller Montur durchgeführt. Wer beispielsweise seine am Morgen zugeteilte Maske verliert, bekommt keine neue. 

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Ein Sprecher des vom Helios-Konzern geführten Klinikum Emil von Behring widersprach solchen Vorwürfen: "Auch wenn es für alle Krankenhäuser eine Herausforderung ist, entsprechende Schutzmaterialien vorzuhalten und nachzubestellen, so sind wir im gesamten Konzern insgesamt ausreichend aufgestellt."

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) fordert von Landesbehörden sowie Pflege- und Krankenkassen, "eine spezifische persönliche Schutzausrüstung" für Beschäftigte.

Insbesondere die gewerkschaftlich organisierten Vivantes- und Charité-Beschäftigten fordern zudem, die Gehaltspolitik der Tochterfirmen zu beenden. So beziehen viele Beschäftigte der "Labor Berlin GmbH" 30 Prozent weniger Lohn als ranggleiche Kollegen im Charité-Stammhaus.

Der Lohnunterschied betrüge mindestens 300 Euro im Monat, sagte Verdi-Experte Marco Pavlik. Das Labor macht als Tochterfirma von Charité und Vivantes täglich massenhaft Corona-Tests. 

"Es kann nicht sein, dass diejenigen, die in Zeiten der Corona-Krise in den Labors für uns Berlinerinnen und Berliner bis zum Anschlag arbeiten, dafür mit Dumpinglöhnen abgespeist werden", sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser, der in der Linken-Fraktion für Gewerkschaftsfragen zuständig ist.

"Ich kann dieses ganze sonntägliche 'Danke an alle Pflegekräfte, die aufopferungsvoll gegen Coronavirus im Einsatz sind' aus Regierungsmund nicht mehr hören", hatte Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, zuvor auf Twitter geschrieben. "Gebt endlich mehr Geld ins System für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Das wäre echter, gerechter Dank."

Examinierte Pflegekräfte verdienen derzeit für einen Vollzeitjob zwischen 2500 und 3500 Euro Brutto im Monat – je nach Berufserfahrung und Arbeitgeber, also Klinik, Heim oder ambulanter Dienst. Pflegehelfer erhalten weniger Lohn.

Ab April 2022 soll ein branchenüblicher Mindestlohn von 2.175 Euro brutto für Pflegehilfskräfte und 2600 Euro für Fachkräfte greifen. Das hatten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Januar vereinbart. Allein in Berlin sind hunderte Pflegestellen nicht besetzt, die Personalnot hat sich in der Coronakrise verschärft.

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