Bayerischer Rundfunk

2022-11-07 16:09:47 By : Mr. Gavin Song

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Pilot der Luftwaffe vor Starfightern

Pilot der Luftwaffe vor Starfightern

Pilot der Luftwaffe vor Starfightern

Die Luftwaffe muss sechs Eurofighter in den indopazifischen Raum verlegen. Die Bundesregierung möchte in der strategisch bedeutenden Region mehr Präsenz zeigen. Ist es möglich, die Kampfflugzeuge innerhalb von 24 Stunden nach Singapur zu fliegen?

Seit zwei Jahren wird geplant, trainiert und jede Eventualität bis ins Detail vorbereitet. Eines steht fest: Es ist die größte Verlegung in der Geschichte der Bundeswehr. Innerhalb von einem Tag von Neuburg an der Donau nach Singapur mit sechs Eurofightern, das hat es noch nie gegeben. Vier Transportmaschinen, drei Tankflugzeuge und 250 Soldatinnen und Soldaten sind an dem Projekt beteiligt - eine logistische, technische und fliegerische Kraftanstrengung. Für das Reportageformat Kontrovers - Die Story ist BR-Autor Erik Häußler mit an Bord.

Holger* (*aus Sicherheitsgründen werden nur die Vornamen der Soldaten genannt) ist seit sechs Jahren Eurofighter-Pilot und Teil der sogenannten Alarmrotte. Im Ernstfall – wenn ein unbekanntes Flugzeug in den deutschen Luftraum eindringt – ist der Major mit seinem bewaffneten Jet innerhalb von wenigen Minuten in der Luft. Dafür wird täglich trainiert.

Es geht darum, der kriegerischen Realität möglichst nahe zu kommen: "Wir simulieren die Schüsse. Es gibt im Cockpit einen Schalter und wenn man den auf Training setzt, kann man tatsächlich den Abzug betätigen und im Flugzeug dieselben Anzeigen bekommen, die man bei einem echten Schuss eines Live-Flugkörpers hätte", erklärt Holger.

Die Maschinen der Alarmrotte sind auch bei der Übung mit echter Munition unterwegs. Denn Holger und seine Kollegen sind auch dann in Bereitschaft. Ertönt der Alarm, geht das Training für sie direkt in einen Einsatz über. Auch der Start der Übung beginnt wie im Ernstfall: Vollschub und dann fast senkrecht in den Himmel.

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Für die Verlegung der Eurofighter Mitte August nach Singapur muss ein riesiger, logistischer Aufwand betrieben werden. Denn jeder Schraubenschlüssel, jedes Ersatzteil, jeder Computer, sogar Freizeit-Equipment muss mitgenommen werden. Die Kampfjets sind in der Regel eineinhalb Stunden in der Luft, dann sind die Tanks leer.

Bei der Verlegung nach Singapur, sitzt Holger acht Stunden am Stück im Flieger. Betankt wird dann direkt in der Luft. "Bei einem Verlegeflug habe ich halt ganz, ganz andere Herausforderungen. Die lange Zeit im Cockpit, Wettereinflüsse und natürlich die Luftbetankungsvorgänge. Ein Fehler und ich mach den ganzen Plan zunichte. Der Erfolgsdruck ist noch einmal wesentlich höher."

Und es gibt noch eine ganz andere, menschliche Herausforderung: die Toilette. Denn so etwas gibt es an Bord eines Eurofighters natürlich nicht. Bei acht Stunden Flugzeit, bekleidet mit Overall Wasser-Schutzanzug, gibt es genau zwei Möglichkeiten für die Piloten: Flasche oder Windel. Holger setzt auf Erstere und damit auf sein Geschick: "Es gibt aber auch Leute, die schwören auf eine Windel. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sieben oder acht Stunden in der Windel arg viel angenehmer ist."

Charly ist Wartungsmechaniker bei der Luftwaffe. Er macht sich mit seinen Kollegen einen Tag vor den Eurofightern auf den Weg nach Abu Dhabi. Dort werden die Kampfjets – nach sieben Stunden Flugzeit - für sechs Stunden eine Pause einlegen, um betankt und gecheckt zu werden.

Fehlermeldungen sind das tägliche Brot für Charly. Auch bei dieser Verlegung können Schwierigkeiten mit der Technik nicht ausgeschlossen werden: "Das Schlimmste wäre, wenn ein System wirklich komplett ausfällt, sodass wir einen Computer austauschen müssen. Aber solange uns kein Triebwerk kaputtgeht, werden wir alles hinkriegen."

Die sechs Eurofighter landen pünktlich um ein Uhr in der Nacht in Abu Dhabi und werden von der Technik-Crew empfangen. Temperaturen von über 35 Grad auf einem fast unbekannten Flugfeld. Für Mechaniker Charly zählt jetzt jede Minute: "Wir haben eine Maschine, da haben wir ein paar Fehler auf dem System. Aber das kriegen wir hin."

Noch sind die Techniker zuversichtlich, doch beim Testlauf taucht ein weiterer Fehler auf - und zwar ein flugkritischer. "Da wusste ich sofort, was ich meinem nächsten Vorgesetzten melden muss: 'Wir haben ein Problem!'". Denn der defekte Sensor ist nicht bei den Ersatzteilen im Transportflieger dabei. Mit diesem Problem habe man schlicht nicht gerechnet.

Am frühen Morgen ist klar: Der Eurofighter kann erstmal nicht wieder starten. Trotzdem müssen die fünf anderen Jets jetzt weiter. Der Countdown läuft. Elf Stunden bleiben ihnen noch, um in Singapur zu landen. Ausgerechnet die Maschine von Pilot Holger muss am Boden bleiben. "Ich habe schon gestern Nacht die Nachricht bekommen, dass es Probleme geben könnte. Und das hat sich jetzt leider als wahr herausgestellt. Aber ich sag mal: 'Safety first'. Lieber bin ich hier, als dass irgendein Leben gefährdet wird."

Unterdessen sind die Kollegen schon in der Luft. Jeder Jet muss bis Singapur zehnmal betankt werden. Jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung. Starke Winde können das Einfangen des Korbs erschweren. Im schlimmsten Fall wird der Eurofighter dabei beschädigt - und das könnte die ganze Mission gefährden.

Nach 20 Stunden und 22 Minuten setzen die Eurofighter auf der Landebahn in Singapur auf. Zweieinhalb Stunden vor Ablauf des Zeitfensters. Das selbstgesteckte Ziel ist erreicht – allerdings nur mit fünf von sechs Maschinen. Der Aufwand ist am Ende höher und teurer als geplant. Doch für eine generelle Bilanz ist es zu früh: Schon in wenigen Stunden geht es für alle weiter nach Australien. Gemeinsam mit Verbündeten werden die Eurofighter dort erstmals ein großes Militärmanöver fliegen. In eineinhalb Monaten sind die Soldatinnen und Soldaten dann wieder zurück in Deutschland.

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